Über meinen künstlerischen Arbeitsprozess
Ich fertige keine (visuellen) Skizzen für meine Bilder an. Das ist mir immer wieder als eklatanter Unterschied zur Arbeit anderer, abstrakt arbeitender Künstler aufgefallen. Dafür haben meine Arbeiten stets sehr explizite Titel bzw. sind Serien zugeordnet und beziehen sich auf konkrete Erlebnisse oder identifizierbare Situationen.
Erst ein klares emotionales Bild...
Im Jahr 2003 habe ich angefangen, längere Texte zu bestimmten Werkgruppen zu schreiben (z. B. "Sati" oder "The Lotus Feet"). 2005, mit der Serie "Cinque Leoni", wurde mir klar, dass nicht visuelle (also gezeichnete) sondern sprachlich-emotionale Skizzen den Ausgangspunkt für meine Arbeiten bilden. Drei der fünf Leoni-Bilder konnte ich zügig fertigmalen, während mir die beiden anderen schwer fielen. Ich war tagelang unschlüssig und probierte herum, wobei die Titel der Bilder zu diesem Zeitpunkt aber bereits feststanden und es auch klar war, welches Bild sich auf welche Begegnung bezieht.
Irgendwann nahm ich meinen Skizzenbuch und schrieb jeweils einen längeren, tagebuchartigen, privaten Text über die Begegnung. Im Schreiben reflektierte ich die Situation, ordnete sie, versuchte, sie zu "abstrahieren", d. h. eine zugrundeliegendes Schema zu erkennen. Als ich das Schema (die Matrix) meiner persönlichen Erfahrung erkannt hatte, konnte ich das Bild zügig fertigmalen.
Vielleicht ist diese Art der Bildentwicklung am ehesten mit der Rollenarbeit eines Schauspielers zu vergleichen: die im Stück vorgegebene Rolle muss sich der Schauspieler erarbeiten indem er Versatzstücke seiner persönlichen Biographie und seiner Erfahrungen mit genauen Beobachtungen seiner Umwelt so lange kombiniert, bis er ein klares emotionales Bild des zu spielenden Charakters hat. Erst dann kann er die Figur überzeugend darstellen.
Zu den "Beobachtungen der Umwelt" folgende Ergänzung: Bisweilen begegne ich Menschen, zu deren Gefühlen ich Zugang habe; manchmal sind diese Gefühlswelten völlig ungeordnet, chaotisch, unsteuerbar. Ich lasse mich darauf ein, springe in de Flut, werde selbst zum Spielball - bis ich sie dominiere... und schließlich die innewohnende Ordnung, den zugrundeliegenden Archetypen erkennen kann. Vielleicht könnte ich es so beschreiben: Ich nehme Energiepartikel dieser Gefühle anderer wahr, reproduziere, multipliziere sie in mir selbst, um sie dann in meiner eigenen Wahrnehmung zu verändern, neu zu ordnen bis ich ein/mein klares emotionales Bild habe. Erst dann kann ich mein (Tafel-)Bild fertigmalen.
... dann präzise Abstraktion
Wenn ich dann wieder langsam aus so einer "Flut" auftauche, dann bleiben mir nur noch die gefundenen Titel, Seiten von Papier und Tagebuchnotizen. Irgendwann werde ich die Bilder fertiggemalt haben und den Text so poliert und gekürzt, dass er präzise ist, alle Mitspieler anonymisiert und eine gewisse distanzierte Kühle ausstrahlt.
In einem Interview mit Gerhard Richter (1) wurde erwähnt, dass augenblicklich seine Werke und seine Biografie bis ins letzte Detail durchleuchtet werden. Richters Bemerkung hierzu lautete: "zum Werkverständnis können biographische Details nur bedingt beitragen."
Tatsächlich empfinde ich diesem Zusammenhang ähnlich: irgendwann tritt meine persönliche, biographische Erfahrung zurück hinter... die "Rolle im Stück"; meine Arbeiten sprechen dann nicht länger über "mich", sondern ganz allgemein über Aspekte und Erfahrungen menschlichen Lebens.